Formula Student Netherlands 2017
Ein erfolgreicher Start! – Cost Report und Scrutineering
Bereits um halb 7, also zu einer für Studenten sehr untypischen Uhrzeit, wurde das Team durch eine alle Zelte durchdringende, etwas nervtötende Hardstyle-Musik geweckt. Gewissermaßen ist das notwendig, denn anders bekommt man die speziellen Murmeltiere im Team gar nicht wach. Nachdem dann alle Frühaufsteher mit verquollenen Augen ihren Schlafsäcken entschlüpft waren, folgte das Frühstück. Belegte Brötchen, einige Tassen Kaffee und eine große, von Georg zubereitete Portion Rührei waren eine ausgezeichnete Grundlage um gestärkt in den Tag zu starten.
In der Boxengasse ging es als erstes daran, die Box fertig aufzubauen. Nachdem dies durch die Hilfe zahlreicher Teammitglieder schnell erledigt wurde, konnten wir uns der ersten Statischen Disziplin, dem Cost Report zuwenden. Dieser besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil dreht sich vorrangig darum nachzuweisen, dass alle in unserem RT11 verbauten Teile ordnungsgemäß bepreist und gelistet wurden. Der zweite Teil besteht aus einer Diskussion mit den Juroren über verschiedene Aspekte rund um Serien- und Prototypenfertigung, Fertigungsverfahren im allgemeinen und den damit verbundenen Kosten.
Kurz nach dem Mittag ging es dann los. Eingeteilt für den Cost Report waren in erster Linie Dominik, Lasse und ich (Erik). Für mich war es das erste Mal, entsprechend nervös war ich dann auch. Mit Beginn des sogenannten „Judgings“ sank die Anspannung jedoch schnell ab und wir beantworteten die Fragen der Juroren mit höchster Konzentration. Besonders der Erfahrung von Dominik und Lasse ist es zu verdanken, dass diese Aufgabe so bravourös gelöst werden konnte. Die beiden Juroren waren am Ende sehr zufrieden und wir waren glücklich die erste Aufgabe in einer solchen Form abgeschlossen zu haben.
Parallel zum Cost Report fand das sogenannte Scrutineering statt. Dabei geht es darum nachzuweisen, dass unser RT11 alle Regularien erfüllt. Nach dem unsere Elektroniker das Akku-Scrutineering erfolgreich bewältigt hatten, begann am späten Abend die Überprüfung des restlichen elektronischen Systems. Bis auf einen kleinen Fehler verlief auch dieses gut. Die Behebung dieses Fehlers nahmen sich die Elektroniker daher für den nächsten Morgen vor. Um dann auch wieder fit zu sein, entschlossen sich alle Racetechler dazu lieber möglichst früh ins Bett zu gehen und damit endete auch schon der Montag.
RT11 meistert mühelos technische Abnahme – Team überzeugt in statischen Disziplinen
Der Dienstag stand ganz im Zeichen der statischen Disziplinen und der technischen Abnahme des Fahrzeugs. Neben elektrischer und mechanischer Fahrzeugüberprüfung wurden die Wasserbeständigkeit, Bremsleistung und Überschlagsicherheit des RT11 auf Herz und Nieren geprüft. Parallel dazu standen mit Business Plan und Design Report die verbleibenden statischen Disziplinen an.
Los ging es um 9 Uhr mit dem Electrical Scrutineering. Der noch am Abend des Vortags aufgetretene Fehler konnte behoben werden und das Auto (und Team) hatte somit den wohl schwierigsten Teil der technischen Inspektion erfolgreich gemeistert. Die anschließende mechanische Überprüfung wurde reibungsfrei absolviert. Auch der Tilt-Test, bei dem das Auto um bis zu 60° auf eine Seite gekippt wird um Leckagen am Kühlsystem o.ä. zu detektieren, wurde im 1. Anlauf ohne Beanstandungen bestanden.
Dann ging es zurück in die Box, denn die am höchsten bewertete Statische Disziplin, der Design Report (max. 150 von 1000 Eventpunkten) stand um 14:40 Uhr auf der Agenda. Dabei wurde das Team von einer Gruppe von Formula Student- und industrieerprobten Juroren hinsichtlich der Auslegung und Umsetzung des RT11 befragt. Das präsentierte Wissen und das Fahrzeug konnten die Jury überzeugen und das Team auf eine gute Platzierung hoffen lassen. Bereits um 11 Uhr hatten wir bei der Präsentation des Business Plans, der (virtuell) die Produktion und Vermarktung des Fahrzeugs beinhaltet, einen positiven Eindruck bei den Judges hinterlassen und mit Cost Report und dem schon angesprochenen Design Report somit die Statics erfolgreich bewältigt.
Anschließend ging es weiter zum Rain Test, bei dem das Fahrzeug und insbesondere der elektrische Antriebsstrang bestehend aus Akku, Invertern und Motoren einer 2-minütigen Wasserdusche unterzogen. Unsere Sorgen bezüglich der Wasserdichtigkeit erwiesen sich als unbegründet, wie auch bei dem BOSCH-Preevent vor 2 Wochen konnte der Beregnungs-Test ohne Probleme durchgeführt werden. Der anschließende Brake-Test wurde routinemäßig absolviert, der RT11 bremste sich in die Herzen der Scrutineers die das gleichzeitige Blockieren aller 4 Räder mit dem letzten Sticker belohnten und die erste technische Überprüfung des Autos erfolgreich beendeten.
Mittlerweile war es auch schon 17:30 Uhr und nach dem anschließenden Einstellen des Fahrwerks-Setups wurde gemeinsam in der Box zu Abend gegessen. Den Abend ließen wir in Ruhe auf dem Zeltplatz ausklingen; in gespannter Erwartung des folgenden Tages.
Die Fahrt beginnt – Wet Pad, Acceleration und Autocross
Der Tag begann sehr früh, da wir eins der ersten Teams im Wet Pad sein wollten. Wet Pad ist eine Disziplin, in der der Fahrer eine große Acht fahren muss; zweimal um den linken Kreis und zweimal um den rechten Kreis. Das ganze wie der Name schon sagt: im Nassen. Als wir ankamen, standen auch fast keine anderen Teams vor uns an, darum konnten unsere beiden Fahrer gleich zeigen, was sie können. Die ersten beiden Runs des ersten Fahrers, waren noch etwas vorsichtig, auch um die Strecke kennen zu lernen. Doch mit seinen Tipps konnte unser zweiter Fahrer eine sehr schnelle Zeit fahren! Gleich danach schoben wir unseren RT11 zum Test Track, um für das nachfolgende Acceleration-Rennen die letzten Einstellungen zu machen und die Reifen einzufahren. In der zweiten Disziplin an diesem Tag ging es um einen 75m Sprint geradeaus. Dank 80kW und warmer Strecke konnten wir den Sprint mit fliegendem Start in unserem besten Run in 3,5 Sekunden absolvieren und somit auf eine gute Platzierung in dieser Disziplin hoffen.
Nach einem sehr leckeren Mittagessen war es an der Zeit für die spannendste Disziplin: Die Strecke besteht dabei aus einem etwa 1km langen, durch Kegel abgesteckten Kurs den die Fahrer am Vorabend nur zu Fuß ablaufen durften. Auf quasi unbekannter Strecke kommt es dann nicht nur auf die Performance des Autos, sondern zu einem großen Teil auch auf das fahrerische Talent der Piloten an.
Um unser Auto final auf die Disziplin abzustimmen absolvierten wir unmittelbar vorher noch letzte Testläufe und konnten das Auto dann zum für uns optimalen Zeitpunkt gegen 16 Uhr Richtung Strecke schieben. Gespannt verfolgte das restliche Team das Geschehen von einem Hügel aus und feuerte die Fahrer an.
Mit zwei sicheren Läufen konnte unser erster Fahrer schon einmal eine gute Zeit setzen und damit den Weg freimachen für den deutlich risikofreudigen zweiten Fahrer. Mit einer hervorragenden Zeit von 55,7 Sekunden im 1. Run des zweiten Fahrers konnten wir uns sofort nach eigener Hochrechnung einen Platz in der Spitzengruppe sichern, und der 2. Run stand ja erst noch an! Ein überfahrener Kegel, verhinderte leider eine noch bessere Zeit im 2. Run, da hierfür eine Zeitstrafe von 2 Sekunden fällig war. Davon ließen wir uns aber nicht beeinträchtigen und fieberten dem Ausdauer-Rennen am Donnerstag entgegen.
Also konnten wir uns am Abend, nach dem anstrengenden Tag, auf die Schulter klopfen. Dieser Tag hat bei uns allen nur die Lust auf das große Rennen am morgigen Tag geweckt.
Das Endurance – die Königsdiziplin
Der letzte Tag des Events war für das Team von Anfang an sehr spannend, da zum einen mit dem Endurance die wichtigste Disziplin anstand und auch weil am Abend die Siegerehrung stattfinden sollte, auf welcher wir uns auch Hoffnung auf Top-Platzierungen machen durften.
Um im Endurance, der Königsklasse, bestehen zu können, musste dabei alles gut vorbereitet sein. Dazu wurde das Auto noch einmal intensiv durchgecheckt um alle potenziellen Fehler auszumerzen. Das Endurance findet auf einem entschärften Track des Autocross statt, wobei zwei Fahrer jeweils elf Runden fahren müssen. Beinahe schon traditionell ist leider eine recht hohe Ausfallquote während des Rennens, weshalb die Zuverlässigkeit oft noch mehr zum Ergebnis beiträgt als die reine Performance von Fahrer und Auto.
Aus diesem Grund entschieden wir uns nach langen Debatten und Diskussionen mit einem weniger risikofreudigen Leistungseinstellung zugunsten der Zuverlässigkeit anzutreten. So wird ständig das Wetter überprüft, damit bei Bedarf schnell auf die richtigen Reifen gewechselt werden kann. Andererseits werden Einstellungen wie Leistung und Drehmoment getroffen. Da der RT11 immer wieder kleinere unvorhersehbare Probleme haben kann, ist es auf Events enorm wichtig, so viel wie möglich auf dem Eventgelände zu testen. So wurde es auch an diesem Tag getan, um Reifensetups und die Leistungselektronik zu überprüfen. Nach den letzten Vorbereitungen wurde das Fahrzeug in Richtung der Endurance-Strecke geschoben, um auch wirklich rechtzeitig da zu sein.
Nach dem Einsteigen des ersten Fahrers fuhr das Auto zur Startlinie, und natürlich fieberten alle Teammitglieder dem Start entgegen! Denn auf der Strecke waren kurz zuvor einige Autos mit technischen Problemen liegengeblieben. Doch als das Auto losfuhr, war der Jubel groß. Umso mehr waren alle geschockt, als wir merkten, dass das Auto nicht seine volle Leistung fahren konnte. In diesem Moment war die einzig plausible Erklärung, dass nur ein Motor angesteuert wurde und somit die normale Leistung halbiert war. Zudem ging der RT zweilmal aus, bis der Fahrer den Knopf zum Zurücksetzen der Inverter betätigte. Von da an lief es sehr gut, der erste Fahrer konnte die Rundenzeiten mit der „richtigen“ Leistung deutlich nach unten drücken und auch bis zum Fahrerwechsel problemlos fahren. Nach dem Fahrerwechsel konnten wir unsere Zeiten weiter verbessern, da nur wenige Fahrzeuge auf der Strecke waren und der zweite Fahrer eine sehr gute Linie fand. Dann war das Endurance auch schon vorbei, was einen enormen Jubelsturm entfesselte. Bei der Ausfahrt wurde der Fahrer umfassend beglückwünscht, während die Scrutineers noch Checks am Auto durchführten. Anschließend ging es wieder zur Box, wo weiter aufgeräumt wurde, während einige Systeme der Fahrzeuge aller Teams im Re-Scrutineering überprüft wurden. Der anschließende Abbau der Box gestaltete sich unkompliziert und nach dem gemeinsamen Abendessen auf dem Zeltplatz wartete das gesamte Team gespannt auf Siegerehrung und Abschlussfeier.
Der Lohn der Arbeit
Entgegen unserer ursprünglichen Annahme, dass die Formula Student Netherlands Elektro- und Verbrennerfahrzeuge getrennt bewerten würde, überraschte uns der Veranstalter mit einer Mixed-Wertung, bei der die 2 Fahrzeugklassen zusammen bewertet werden.
Trotz der damit doppelt so großen Konkurrenz konnten wir in 6 von 9 Einzeldisziplinen Podiumsplatzierungen erreichen! Zusätzlich erhielten wir den Preis für das zweitbeste elektrische Fahrzeug und konnten somit insgesamt 7 Pokale gewinnen.
Die Platzierungen im Einzelnen waren:
Statische Disziplinen
Cost Report – 3. Platz
Business Plan – 4. Platz
Design Report – 9. Platz
Dynamische Disziplinen
Skid Pad – 3. Platz
Acceleration – 3. Platz
AutoX – 2. Platz
Endurance – 3. Platz
Efficiency – unbekannt
Overall (Elektro- und Verbrennerfahrzeuge)
3. Platz
Overall Elektro
2. Platz
Mit einem derart positiven Ergebnis hatten wir im Vorfeld natürlich nicht gerechnet. Nach einigen technischen Problemen und Rückschlägen in der Woche vor dem Event konnten wir unser Glück kaum fassen, das Event überhaupt weitestgehend problemlos zu absolvieren und dabei auch noch solche Ergebnisse einzufahren!
Möglich war dies neben dem beherzten Einsatz des gesamten Teams vor allem durch die Unterstützung all unserer Sponsoren, die uns durch die Saison begleiteten und das Team zu jeder Zeit unterstützten. Insbesondere die Unterstützung nach Fehlschlägen, wie unserem misslungenen Monocoque oder sehr kurzfristig zu behebenden Beschädigungen in der Testphase, erlaubten überhaupt erst die erfolgreiche Teilnahme an der 1. Ausgabe der FSN.
Bis zur Formula Student Germany ist es nun noch eine knappe Woche, und das Team ist beinahe täglich mit dem RT11 auf der Teststrecke in Freital um Setups zu testen, Teile zu validieren und die Fahrer weiter zu trainieren. Mit so positiven Ergebnissen im Rücken möchten wir den Schwung und Teamspirit auch nach Hockenheim und Barcelona mitnehmen und hoffen, auch dort überzeugen zu können.
Mit einem herzlichen „ Glück auf!“ aus Freiberg,
Ihr Racetech Racingteam